"Insomnia"
(lat. "Schlaflosigkeit") ist der Titel einer Kurzgeschichte, eines
Drehbuchs (1973), eines Films (1974) und eines Hörspiels (1986), in denen
Tabori zwei Underdogs aufeinander prallen lässt.
Eine Frau, ein Mann,
eine Nacht in einem kalten Zimmer.
Die Wirtin vermietet dem dunklen Fremden,
der mit einer Empfehlung an die Tür klopft, ein Bett für eine Nacht:
"Ohne Extras". Schnell steckt sie das Geld in ihre Handtasche, die sie
nun die ganze Nacht fest an sich pressen wird. Wer weiß denn schon, was
diese Ausländer im Schilde führen? Sie spricht es auch aus. Ihm ins
Gesicht.
"Österreicher!", denkt anderseits der Fremde, als
er hört, wie sie sich inbrünstig und lange die Zähne putzt.
Die Sache wird kompliziert, als die beiden nicht einschlafen können. Die
Frau und der Mann verbringen eine verrückte Nacht miteinander, die Routinen
des Zubettgehens stürzen die beiden einander Fremden in ein emotionales Chaos.
Gegenwärtiges und Vergangenes vermischen sich, und für einen kurzen
Augenblick der Intimität und menschlichen Nähe scheint die Überwindung
der Angst und der Fremdheit zum Greifen nahe. Immer wieder versinkt eine der Personen
in einem Schwebezustand zwischen Wachen, Traum und Albtraum. Reales und Irreales
mischen sich. Natürlich zerrinnt der Traum am Morgen, doch ist er laut Freud
ja "der Erinnerung fähig". Die Frau wird dem Fremden die bekannten
"Extras" und ein geheimnisvolles "Extra" doch nicht berechnen.
Dann klettert sie, endlich allein, wieder ins Bett.
Beginnt nun die
Verdrängungsarbeit?
BLICKRICHTUNG
Dies ist "das" Werk von Tabori, das Samuel Beckett in der Erzählstruktur
sehr nahe kommt. Banale Handlungen werden zu Staatsaktionen, banale Sätze
bedeuten die Welt. Hastig gemurmelte Bekenntnis-Monologe münden in mühselige
Versuche dieselben ungeschehen zu machen.
Äußerste Bosheit, aus
Angst und sozialer Prägung geboren, kämpft mit der Sehnsucht nach extremer
Nähe, die zu erringen man sich nie mehr erhoffen zu dürfen, sicher ist.
Natürlich ist eine der Zielrichtungen, die Tabori immer in seinem Werk anschlägt,
die Xenophobie in vielen ihrer Erscheinungsformen.
Spannend ist jedoch, wie
die Wirtin ihren Zorn auf den Fremden, ihre Angst vor dem Fremden allmählich
verliert: nämlich durch Erkennen des Kreatürlich-Menschlichen, dem ja
alle Rassen und Schichten ausgesetzt sind. Spannend auch, wie der Fremde aus ähnlichen
Erkenntnissen die Arroganz des Underdogs ablegt.
Ihr kleinbürgerliche
Mief ergibt das trostlose Grundgerüst für diese Geschichte, die für
uns jedoch mit einem geheimnisvollen Glück, mit einer verwirrenden Frohbotschaft
endet.
Und so schließt dieses Stück auch wieder wie die "großen
Spiele" Becketts: Versöhnlich, aber hoffnungslos, jedoch mit einem Glanz
der Hoffnung auf einer übergeordneten Ebene.
Dieser
Text wurde, nach einer angeblich desaströsen Uraufführung am Kasseler
Staatstheater, vom Autor und vom Verlag generell für Bühnenaufführungen
gesperrt.
Unser Ruf bei den deutschen Verlagen ist aber mittlerweile so gut,
dass dieses Verdikt - vom Verlag und von Tabori selbst - für Hagnot Elischka
aufgehoben wurde.
Wir werden also dieses sehr eigenwillige Tabori-Stück
für die Bühne zurückgewinnen können.
