PSYCHIATRIE ! Eine Theaterperformance









2010 - 2012
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PSYCHIATRIE !
EINE THEATERPERFORMANCE
Über die Fähigkeiten und die Kräfte des Menschen und die Verrichtungen des Gehirns

nominiert für den NESTROY-Spezialpreis 2010
prämiert vom BM:UKK
eingeladen zum HEIDELBERGER STÜCKEMARKT' 2011



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Auf dünnem Seil balanciert das Werkzeug Vernunft an den Impulsen des Lebens und den heftigen Reaktionen des Unbewussten entlang.

Das Ausgangsprojekt zu dieser Arbeit ist das Pilotprojekt "STANDARDISIERTER PATIENT" an der psychiatrischen Klinik im AKH Wien, und die Produktion "PSYCHIATRIE !".

“Es war ein Wagnis sagt Gerhard Lenz. Der 65-jährige Facharzt für Psychiatrie meint damit nicht nur die weitgehend unbekannte Ausbildungsmethode, die er vor 15 Jahren zum ersten Mal nach Österreich brachte. Die Doppelgängerrolle würde die Schauspieler in den Wahnsinn treiben, warnten seine Fachkollegen. Und überhaupt: Das sei ja Hollywood am AKH! Doch Lenz, ein grüblerischer Wissenschaftler mit schütterem dunklem Haar, der so garnichts von einem Halbgott in Weiß an sich hat, beharrte auf der unkonventionellen Ausbildungsmethode, die er bei einem Kongress in Schottland kennen gelernt hatte.“
(www.zeit.de)

"In der Psychiatrie ist das Gespräch als Mittel der Untersuchung auch bereits die Einleitung der Behandlung. Während sich am Ende des 19. Jahrhunderts Psychiater als distanzierte Beobachter und rein naturwissenschaftlich eingestellte "Beschreiber" sahen, hat sich im Laufe der Zeit, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Sozialwissenschaften und der Psychotherapie, ein Paradigmenwechsel vollzogen. Nun werden nicht nur Krankheitssymptome, sondern auch die Lebenssituation und Lebensgeschichte im sozialen und beruflichen Kontext beachtet. Die Beziehung zwischen Arzt und Patient rückt näher ins Blickfeld, und die Bedeutung, die der Patient seiner Lebensgeschichte gibt, kommt als subjektive Information hinzu. Der lang schwelende Konflikt zwischen "Beschreibern" und "Analysierern" ist heute längst überwunden. Die Beobachtung und Beschreibung von psychopathologischen Phänomenen und das Verstehen sind keine Gegensätze, sondern notwendige Ergänzungen. Die psychiatrische Exploration ist dabei ein zentrales Instrument zur Beurteilung des psychischen Zustandes und Erlebens. Man versteht darunter ein strukturiertes Gespräch bzw. Interview, das eine aktive Vorgehensweise des Untersuchers erfordert und zum Ziel hat, psychopathologische Symptome wie Stimmung, Denkinhalte, kognitive Funktionen im Einzelnen, aber auch in ihrer Gesamtheit zu erfassen."
(Prof. Gerhard Lenz, "Anleitung zur psychiatrischen Exploration").


Wie jongliert unser als gesund empfundenes Konstrukt "Ich" mithilfe welcher Verarbeitungs-strategien an den Krisen vorbei?

Die Erfahrungen durch dieses aufregende Pilotprojekt, aber auch die Binnen-Diskussionen, das große Interesse, das die nach außen gedrungenen und dort weitergesponnenen Diskussionsfäden immer wieder auslösten, Feedback von Universität und den eigenen Künstler-Reihen, ließen den Gedanken zu einem Kunstprojekt reifen.

Die Produktion bezieht eine radikale Position. Sie deutet auf den Druck am Erwerbs-Arbeitsplatz und den schleichenden Verlust von Glücklichsein in unserer Welt hin. - (Mittlerweile wird ein Mensch, der sich nicht optimal in den Gleichtakt der Erwerbsarbeit einzureihen imstande ist, für nicht einsatzbereit angesehen.)
Vorrangiges Ziel einer psychiatrischen Intervention ist, die Erkrankten zu befähigen, sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. (mit "Arbeitsprozess" sind Arbeitsplätze in Industrie, Gewerbe und in den Dienstleistungssektoren gemeint. Für Künstler und Wissenschaftler z.B. ist der übliche Weg der Medikation und Therapie wegen Gefahr des Talentverlustes meist nicht möglich.)


"Die Geburt der Wissenschaften vom Menschen hat sich wohl in jenen ruhmlosen Archiven zugetragen, in denen das moderne System der Zwänge gegen die Körper, die Gesten, die Verhaltensweisen erarbeitet worden ist."
Michel Foucault


"Und was durch diese Besserungstechnik schließlich wiederhergestellt werden soll, ist nicht so sehr das Rechtssubjekt, das in die fundamentalen Interessen des Gesellschaftsvertrags integriert ist, sondern das gehorchende Subjekt, das Individuum, welches Gewohnheiten, Regeln, Ordnungen unterworfen ist. Und einer Autorität, die um es und über ihm stetig ausgeübt wird (und die es automatisch in sich selber wirken lassen soll)."
Michel Foucault