Wir versuchten hier, unsere Freude an Franzobels
Sprache und der hohen Intelligenz dieses Autors, dem Publikum
weiterzugeben.
Dieser Prosatext wurde - durchaus logisch und vom Autor begrüßt
- auf vier Bühnenmenschen aufgeteilt. Es entstand ein Vermutungs-Thriller,
ein Denk-Krimi der feinen Sorte, mit hohem Unterhaltungswert.
Vier befreundete Menschen vermuten (Als Gesellschaftsspiel?
Als Arbeit?) in die Grundkonstellationen eines fremden Eifersuchtsmordes
hinein, schweifen aber dabei - von den Partnern beobachtet und
gewertet - in düstere Bezirke des eigenen Seins ab, behalten
aber notdürftig Disziplin und Haltung. Als Ablenkung rettet
man sich oft in soziokulturelle Rundumschläge
... Schreibt
Franzobel, dass Franzobel eigentlich kein Name ist, und
dass ein Name, der kein Name ist, auch gar nicht ist.
Und was nicht ist, kann auch nicht sein, noch nicht einmal
Begriff, den ich mir mache, wenn ich was begreife - zum
Beispiel Wirklichkeit, die wirklich ist. So stelle ich
sie mir zumindest vor, denke, dass sie existiert auch
außerhalb von hier, von mir. Dann denke ich in Bezeichnung
Realität, und dass das Schnee von gestern ist, nehme
ich Abgetretenes irgendwo wahr, wo das Bewusstsein ist,
angeblich, aber das verstehst du nicht, weil du es bloß
liest, nicht fühlst. Das kommt aus meiner tiefsten
Lade. Doch das ändert nichts daran, dass alles, was
hier vor sich geht, bloß aufgeschrieben steht, passiert
in Worten: Dass sich auch nichts ändert daran, wenn
es alle, die hier stehen, wirklich gibt und gab und alles
so gewesen ist...
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Die Musenpresse Franzobel
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Gerda liegt noch immer im Krankenhaus;
vier bis fünf Monate muss man schon rechnen, hatte
der Primar gesagt und vorgerechnet, dass es bis in den Herbst
dauern würde, bis sie wieder aufstehen könne,
ein Kind wird sie aber nie haben. "Damit müssen
sie sich abfinden", muss Fred auch noch Mitleid nehmen.
Hinnehmen das Mitleid, den Körper spüren, dass
da etwas ist, das zu einem gehört, irgendwie dazu.
Dazu sich sagen lassen, dass es schon wieder werden wird:
wird schon wieder werden. Gehört ja schließlich
auch dazu: das Bein, der Bauch, das Rücken auch, das
Zahn, das Kopf, das Arm, und wie das drückt, zieht
und sticht, wie weh das tut, so richtig Au. Man weiß
auch nicht warum, läuft jahrelang herum mit diesen
Trümmern, bis plötzlich etwas einreißt,
eine schlechte Angewohnheit: im Bein, im Bauch, im Rücken
auch im Zahn, im Kopf. im Arm. Wie weh das tut, so richtig
Au. Der Geist muss sich dann sagen lassen: da hast du's,
blöde Sau. Nimm das und dort, du Gfrast. Wie weh das
tut, wie grauenvoll, dass man nicht sagen kann, nicht Wörter
findet, au, nicht reden kann, verdammt, nichts tun, auweh,
nichts wissen und nichts, au, denken auch und au, wie weh
das tut: im Bein, im Bauch, im Rücken auch, im Zahn,
im Kopf, im Arm, au, jetzt mach doch endlich einen Punkt,
verdammt, hör auf, du gehst mich an, mache ich alles,
was du willst, las dann aber endlich los. Hinnehmen das
Mitleid, den Körper spüren, die Sprache, die nicht
die eigene ist, die Frau, die man nicht liebt, sie liegt
im Krankenhaus, vielleicht Spital, und spürt das nun
und ist doch dabei fidel und quietschvergnügt. |
Die Musenpresse Franzobel
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Keinen Mord schreiben, keine Geschichte
erfinden, keine Spannung. Kein Theaterprinzip, sondern zeigen,
was man damit kann, mit Text. Kein Prinzip vom Film. Weil
welche wirklich so reden, so Hitzing und Wieden. |
zu "Die Krautflut"
Franzobel
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Die Literatur, die verdammte, und
alle Leute drumherum. Marotten, nichts als Spleens, eingeschnappt
gleich alle, Starallüren, und glauben, dass sie etwas
sind. Erzählen nur und stellen bloß, haben dabei
nichts zu sagen, schreiben, was sie sind, und sind der Meinung,
das interessiert irgendwen, ist hilfreich und zeigt auf.
Poesie nennen sie es, wenn ein Sprachspiel klappt, ein alter
Witz, und halten für. Schwachsinn dabei, total vertrottelt,
sinnlos und banal. Von wegen wichtig - langweilig und schal,
verändert nichts und hilft auch keinem, aber sag das
einmal wem. Glauben mit dem Löffel gefressen zu haben,
was anderen fehlt. Keine Ahnung, das Gesindel, nur wichtig
genommen, dass sie endlich Ruhe geben, verblödete Bagage,
hirnlose. Ich. Sagen Kunst und damit das System, so satt
und oberflächlich, Rauminstallation und was man davon
halten muss und was es kostet, schlagen Sammler zu und sind
begeistert. Der Künstler als ein Unternehmer, im Niveau
Möbeldesigner, Werbephotograph. Was für ein Witz.
Vertreten überall, gutbekannt mit Kuratoren, was noch
nicht gegen die Arbeit spricht, nur wider das System. Da
ist die Materialverwendung, da gibt es auch Erkenntnis hie
und da und gelegentlich mal eine feine Sache, kann man nichts
dagegen sagen. ... |
Die Musenpresse Franzobel
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Wie ist das, wenn einer stirbt,
mit dem man Jahre verbracht hat, zumindest in Gedanken,
plötzlich weg ist, beuli geht und Beuschel reißt,
einfach weg ist, nicht mehr da, Charlie geht und um die
Ecke, sich nicht mehr rührt, bloß deppert starrt,
bloß Löcher in die Luft schweigt und Fragezeichen
meint. Dann ist er weg, sagt nichts mehr und meint nichts
mehr und ißt nichts mehr und will nichts mehr und
nicht einmal einen weiteren Mehr-Satz mehr. Reagiert einfach
nicht, will nicht mehr, ist aus, wird einen kalten Arsch
kriegen, aufgestellte Patschen und schnauft nicht mehr.
Einfach weg, einfach dahin, hat es sich leicht gemacht,
ist einfach abgekratzt und läßt zurück.
Man wird sich schon zurechtfinden, wenn man kann. Man wird
schon drüberkommen. Schöner Beschiß. Uns
will auch noch ein Grab und einen Stein, einen Spruch und
dass die Musik spielt, dass alle lachen und feiern und quietschvergnügt.
Als ob das so einfach wäre? Und ratlos, wie man ist,
weil plötzlich etwas fehlt, trinkt man erst einmal
und spricht, erzählt Geschichten, worin das Tote lebt.
Man will es ja nicht glauben. Es kann doch garnicht sein.
So einfach hops und schwupp, das geht doch nicht. Was wird
denn jetzt, was ehrlicher heißt: Was wird denn jetzt
aus mir? So einfach so, das Schwein. Ohne Vorankündigung,
die Sau. Einfach so. Niemals krank gewesen, das Aas, nie
beim Doktor gewesen. Immer vergnügt, immer fidel, das
Arsch. Gemeinheit, Sauerei, dem spuck ich ins Gedärm,
speib in die Goschen ihm, dem Dreck. Soll Staub werden,
Humus und Mist, das Schwein, denkt nur an sich, nur an sich.
An sich auch wieder nicht, der arme Kerl. Was wird denn
jetzt? ... |
Die Musenpresse Franzobel
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EINE LESEART DER RUMPFERZÄHLUNG "SEIFENOPER"
(Hargenauer ist mit Fräulein liiert,
Haurucker ist mit Frauke liiert,
Fräulein und Haurucker begehen ein einnächtliches
erotisches Amusement,
Hargenauer erschießt Haurucker im Affekt.)
Prolog
Verhöhnung des Opfers durch den Mörder---Klagerede
und metaphysische Überlegungen des Opfers / ---Vermutungen
über die fernere Zukunft der Überlebenden.
I Teil
Metaphorische Landschaftsbeschreibung --- Hargenauer und Frauke
reisen, ohne einander zu kennen in einem Zugabteil. Hargenauer
philosophiert innerlich, und betrachtet in der spiegelnden Fensterscheibe
die Knie von Frauke, taxiert dann routiniert, zu welcher Schicht
sie seiner Meinung nach gehört
Frauke will im Nichtraucherabteil rauchen, was ihr aber von
Hargenauer schroff verboten wird. Frauke begibt sich auf den
Gang und taxiert nun ihrerseits ihn.
Einschub: Der II Teil will nicht warten. Haurucker
und Fräulein dokumentieren die Ausschweifungen ihres Fremdgehens.
Teil I wird fortgesetzt. Frauke sinniert in
Metaphern über die Landschaft. Haurucker berichtet seine
Sicht über Frauke. Frauke lässt ihre vorige Landschaftsbetrachtung
in eine allgemeine Weltbetrachtung der postkommunistischen Ära
einfließen.
Der Zug kommt am Zielbahnhof der Beiden an. Es wird nicht klar,
ob Frauke und Hargenauer ihre Bekanntschaft auszuweiten gesonnen
sind.
II Teil
Fräulein denkt über die dumme Abstraktion (im hegelschen
Sinne) nach.
Hauruckers Stimmung nach dem Abenteuer mit Fräulein, ist
trüb. Er erkennt, dass ihm ihre Welt fremd ist. Auch ein
kleiner, schwarzer Flirt von Fräulein führt nicht
zu einer Erneuerung der sexuellen Anziehung, sondern, da von
Haurucker nicht verstanden, in Enttäuschung, und hierauf
überhaupt in einen Rundumschlag gegen die Phänomene
der Warenwelt, mit der er Fräulein gleichsetzt.
Nun wird er auch Fräulein fremd.
Die Darsteller, halb die Rollen verlassend,
resümieren das bisher Erlebte, erzählen die Geschichten
oder Verästelungen derselben, mitsamt vermuteter Zukunftsaussichten.
Man ist nicht sehr konstruktiv.
Teil III
Haurucker nimmt sich vor, Frauke alles zu beichten, da es ihm
nicht gut geht.
Einschub Satyrspiel:
Haurucker jobbt im Würstelstand und wird mit einem offensichtlich
betrunkenen Hargenauer und dessen Männlichkeitsbild konfrontiert,
ohne zu ahnen, mit wem er da spricht.
Fortsetzung Teil III.
In Hauruckers Bude. Auch Frauke ist anwesend. Der Darsteller
der Figur Hargenauers kann die Faszination, die Frauke auf die
von ihm dargestellten Figur ausübt, nicht unterdrücken,
und flicht eine Äußerung seiner Bewunderung in den
intimen Geständnisversuch des Haurucker.
Haurucker kann sich zu keinem echten Schuldbekenntnis aufraffen,
sondern schwadroniert, was den zeitweiligen Untersucher der
Position "Hargenauer" zu einer ätzenden Sequenz
zwingt.
Frauke zeigt sich nun doch nicht so locker,
wie von ihrem Beziehungspartner erhofft. Aber in der Ahnung
einer Theorie spürt sie eine mächtige Hilfe. Sie hat,
trotz der starken aktuellen Enttäuschung die Hoffnung,
darüber wegzukommen..
Einschub:
Die Darsteller stellen Vermutungen über die Menschentypen
an, denen die Protagonisten, sollte es sich hier um eine Telenovela
handeln, zuzuordnen wären. Es handelt sich dabei um ein
primär sachliches Gespräch. Etwa wie innerhalb eines
sozial gut eingespielten Arbeitsteams am Erkennungsamt der Kriminalpolizei.
Teil IV
Die Vermutungen werden nun auf die Gesellschaftsschicht, der
dieser eigenen Humorbereitschaft, und auf dramaturgische Kriterien
der Kunstgattung Telenovela, ausgedehnt, und münden endlich
in den Bericht über die besondere Befragungstechnik von
Hargenauer, und dem hierauf erfolgenden Geständnis von
Fräulein.
Hargenauer, am Boden zerstört, bewahrt aber äußerlich
den Anschein der Liberalität..
Teil V
Frauke hat Fräulein zu sich geladen, die Nebenbuhlerin
kennenzulernen. Fräulein nimmt diese Einladung an, bewaffnet
sich aber mit Tränengas.
Wir erfahren die liberale und couragierte Rede, die Frauke Fräulein
zu halten vorhat. Aber dann nicht hält.
Die Frauen sprechen vielmehr über ihre jeweils eigenen
Partner, transformieren diese blitzschnell in den Status von
Minderheiten.
Nun können die beiden Frauen einander unvoreingenommen
gegenübertreten. Eine jede unterliegt der Faszination durch
die andere. Es kommt zu einer vorsichtig beginnenden, aber schnell
wagemutig werdenden sexuellen Ausschreitung..
VI Teil.
Treffen der involvierten Männer. Sie sind jeder bereit,
sich zu versöhnen. Es kommt nicht dazu, denn Hargenauers
konventionelle Grundhaltung verbietet ihm, es den Frauen gleichzutun
und sich der Faszination des Fremden zu ergeben. Er kann lediglich
von der ritualisierten Ejakulation einer Schusswaffe Gebrauch
machen.
Epilog I
Zusammenfassung der Beschreibungen des kreativen Akts durch
den zeitweiligen Untersucher der Position "Haurucker".
Adressiert ans Publikum.
Epilog II
Scheiternder Versuch der Definition des Begriffs "Ende"
durch die zeitweilige Untersucherin der Position "Frauke".
Adressiert ans Publikum.
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