Die allmähliche Umkehrung der Werte beim Reden über dieselben









1998
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SEX?!! - NEIN DANKE! -ABER...MIT VERGNÜGEN
Von Franca Ramé, Dario Fo, Jacopo Fo
ERSTAUFFÜHRUNG

Fotos

 

"Wahres Volkstheater ist immer lustig, auch wenn es ernste Themen behandelt. Die Satire ist die Waffe des Volkes, sie ist der höchste Ausdruck des Zweifels, die wichtigste Hilfe der Vernunft. Wenn man politisches Theater schreiben will, darf man nicht Essays und Kommentare schreiben, sondern man muss unterhaltend sein, sonst dient man weder dem Theater noch der Politik. Von allen Theaterformen ist die Komödie die effektivste.
Eine Tragödie zielt auf das Herz und auf die Tränen, aber wenn die endlich vergossen sind, ist die Wirkung vorbei.
Eine Komödie dagegen funktioniert über das Lachen und das Erkennen, also über den Kopf, damit kann man mehr und Nachhaltigeres bewirken als mit einer abstrakten Katharsis."
Dario Fo

 

"Es scheint sich bei diesem neuen Stück aus dem Hause Franca Ramé/Dario Fo, um die verbale Bewältigung eines Zivilisationsschocks zu handeln."
Franz Altenberger

 

Franca Ramé's Vorfahren waren seit Generationen Wanderschauspieler. Ein Familienunternehmen aus der Lombardei. Sie erlernt dort von Kind auf, das typische Improvisationstheater dieser ehemaligen Marionettenbühne, die die Puppen, wegen Aufkommen des Tonfilms, nach und nach durch Menschen ersetzt hatte. Zwanzigjährig verlässt sie die Familie, findet Arbeit beim Film, wird Revueschauspielerin bei den populärsten Theatergruppen. Ein Titelfoto befördert sie zur "italienischen Rita Hayworth"
Am Theater lernt sie Dario Fo kennen. Er hat gerade Texte für ein Studententheater geschrieben, und kaum Bühnenerfahrung. Es wird geheiratet, ein Sohn geboren und die neue "Compagnia Fo-Ramé" gegründet. Die ersten Komödien sind nach den Spielvorlagen und Rollenbüchern der Familie Ramé verfasst.
Der politische Aufbruch der 60er Jahre bedingt die Abkehr der Fo-Ramé-Truppe vom bürgerlichen Kulturbetrieb. Die Truppe engagiert sich bei Arbeitskämpfen, greift mit ihren boulevardesk-agitatorischen Theaterarbeiten in die politische Alltagsdiskussion ein ("Bezahlt wird nicht"), oder liefert ideologische sowie materielle Unterstützung bei Kampagnen der "Roten Hilfe".
Sie rufen das Publikum nach jeder Vorstellung zu Spenden für soziale Zwecke auf (Drogenbus z.B.).
Auf Polizeiskandale reagieren sie mit witzig-hämischen Theaterstücken -z.B.: "Der zufällige Tod eines Anarchisten"-, die weltweit nachgespielt werden.
(Dieses politische Engagement scheint Familientradition zu sein. Im Familienarchiv liegt ein Dankschreiben der Textilarbeitergewerkschaft von Novara aus den Dreißiger-Jahren, der Zeit der faschistischen Diktatur. Die Ramés hatten damals den Streikenden ihre Abendeinnahmen gespendet.)
1973 wird Franca Ramé auf offener Straße von mehreren Männern, Mitglieder der neofaschistischen Partei, in ein Lastauto gezerrt, vergewaltigt, gefoltert und anschließend aus dem Wagen geworfen. Es kommt zu einem Prozess mit den dabei üblichen Demütigungen für das Opfer.
Seit 1977 schreibt Franca Ramé auch selbst Texte. "Nur Kinder, Küche, Kirche" führt sie über tausendmal im In- und Ausland auf. Gleichzeitig werden diese Frauenszenen in zahllosen Ländern nachgespielt.
Sie übernimmt die gesamte Organisation des Theaters und der Familie, um ihrem Mann das Schreiben neuer Stücke zu erleichtern, und arbeitet mit ihm an diesen entstehenden Texten...