vernichten …









2015 - 2017
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Aus einer Vorher-Nachher-Porträt-Fotografie, die eine Schauspielerin während der Recherche für ein anderes Stück elektrisierte und sie zu einer umfangreichen Neben-Recherche führte, sowie - später - aus unseren Begegnungen, die wir durch unseren Nebenjob in der psychiatrischen Klinik im AKH/Wien hatten, entstand dieser Versuch, sich den inneren Abläufen von TäterInnen von Massakern in Haus, Dorf, Familie, Schule und Straße zu nähern.

Was geschieht in ihnen in der Zeit vor der Tat?

Das Unbewusste, der Wunsch und der Traum - und welche Gewalt können sie annehmen?

Eine Verengung des Blicks auf die Welt?
Was ist das für eine Daseinsweise, die sich auf derart theatrale Formen der Selbstvernichtung vorbereitet? Was verändert sich während der Rückzugsphase im Gehirn der Person? Was im Gemüt? Sich in dauernder Alarmbereitschaft befinden, in der man jedes Zeichen von Anderen als Bedrohung aufgreift. - Dieses Stadium kann ja einige Jahre dauern, wird gesagt. Aber manchmal auch nur wenige Tage.
Kränkung, Beleidigtsein, Verdeckte Rachegefühle, schwere Niedergeschlagenheit, schwelender Hass. - Mangel an Kommunikationsfähigkeit und daraus entstehende Realitätsverkennung, dazu eine Anhäufung von Pech. - Letztlich die endgültige Transformation in Feindseligkeit / Radikalisierung / Gewalt.
Haben wir nicht schon einmal selbst ähnlich Drastisches in uns erlebt, konnten jedoch noch rechtzeitig aus dieser Maschinerie entkommen?
Es wird gesagt: Manche Fälle weisen Parallelen und Muster auf, doch jeder Fall hat etwas einmalig Katastrophales.

Ist die Katastrophe nicht vorhersehbar gewesen? (Im Nachhinein ja! - wird behauptet)

Zeugenaussagen, Täteraussagen, Polizeiberichte, Gerichtsprotokolle, Zeitungsberichte, Briefe, Internet-Einträge, Schulaufsätze, Tagebücher, Blogs, Notizen ...

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Zahlenmäßig immer mehr ansteigenden Ausbrüche ziviler Gewalttaten in unseren westlichen Industrie-Nationen (Schulmassaker, Amok, Raptus versklavter Hausangestellter, Selbstmordattentäter, Einsamer-Wolf-Terrorismus, Stalking, etc.).

81% der Täter fühlten sich gekränkt, 71% hatten das Gefühl, ausgegrenzt oder gemobbt worden zu sein, 59 % waren Außenseiter. Als Tatmotiv nannten 81% Kränkung, 61 % Revanche, 24% wollten durch die Tat Achtung und Respekt wieder erlangen. Nur selten wurden bei den Taten diejenigen zu Opfern, die ausgegrenzt hatten, meistens wurde die Gewalt auf Underdogs verschoben.
US-Kommission zur Untersuchung von Schul-Schießereien, 2002

Findet möglicherweise etwas statt, was Hannah Arendt so benennt: “Der Terror ist niemals nur negativ, sondern möchte etwas hervorbringen, eine Vision verwirklichen“ ?
aus: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft....

“Das Unheil ist vom Himmel gefallen.“
Ministerpräsident von Thüringen nach dem Ereignis in Erfurt

An einem lauen Spätsommerabend sitzt der 39-jährige Hauptlehrer W. mit seiner Familie im Garten. Gemeinsam genießt man das Zusammensein. Gegen 5 Uhr morgens schlägt er seiner Frau mit einem Totschläger auf den Kopf und sticht dann mehrmals mit einem langen Messer auf sie ein. Seine vier Kinder tötet er durch zahlreiche Stiche in Hals und Brust. Danach verlässt er das Haus mit einem kleinen Revolver, zwei Pistolen und über 500 Schuss Munition.

Am 24. April mittags steuert ein gelber Volvo mit einem Surfbrett auf dem Dach Port Arthur an. In ihm sitzt ein junger blonder Mann. Ein Sonnyboy-Typ.
13:15 Uhr. Knapp 80 Leute sammeln sich in dem Moment für eine Führung. Die Gruppe wartet noch auf ihren Guide, als plötzlich ein starker Knall zu hören ist. Alle Blicke gehen Richtung Café. Ein Körper kommt durch eins der Frontfenster geflogen. “Wieder mal Filmaufnahmen“, sagt einer aus der Gruppe. Im Innenraum des Cafés geht ein Mann mit Waffe von Tisch zu Tisch. Sehr schnell, doch dabei ohne Eile, schießt er auf Touristen.

Im Januar schiesst die 16-jährige Brenda von ihrem Schlafzimmerfenster aus auf eine gegenüberliegende Grundschule. Sie erschießt den Direktor der Schule und den Schulwart. Die Tatwaffe, hatte sie kurz zuvor von ihrem Vater zu Weihnachten bekommen. Nach dem Grund für ihre Tat gefragt: "I don't like Mondays."

Gefragt, wann er das letzte Mal Kontakt zu seinem Sohn gehabt habe, sagte der Vater: Das Telefon klingelte, unbekannte Nummer, und er war dran. Er erzählte wie erfolgreich er sei. Wir sprachen vielleicht zehn Minuten. Er prahlte unaufhörlich.

"Ihr hattet hundert Milliarden Chancen, das hier zu vermeiden. Aber ihr habt entschieden, mein Blut zu vergießen. Ihr habt mich in eine Ecke getrieben und mir nur eine Option gelassen. Als die Zeit kam, habe ich es getan. Ich musste es tun."
Täter/Virginia Tec





"Was schließlich die Geste des Attentäters selbst betrifft, ist sie zu grauenhaft und zu komplex, als dass man ihre Erklärung sofort und umstandslos den politischen Kommentatoren überlassen sollte.Da wird man warten müssen, bis sich ein Künstler ihrer annimmt, damit wir ein wenig besser begreifen, was sich rund um diesen Punkt der Unmöglichkeit zusammenbraute, den man auf alle Zeit nur zum Teil erklären können, aber niemals verstehen wird."
Pierre Zaoui, Philosoph und Professor, Sorbonne